IHK Nürnberg: Industrie 4.0 – Recht komplex

2016-12-28T18:02:18+01:0028.12.2016|Kategorien: Automation Valley|Tags: , , , |

Durch die Automatisierung stellen sich zahlreiche rechtliche Fragen zu Haftung und Datenschutz. Das Recht wird durch technische Revolutionen einerseits beeinflusst und mehr oder weniger rasch verändert. Andererseits ist der rechtliche Rahmen auch für die Entwicklung und Durchsetzung von Innovationen von größter Bedeutung. Dies gilt gerade in einem Land wie Deutschland mit seiner sehr weit entwickelten, am Rechtsstaatsprinzip ausgerichteten Legalordnung und einer sehr aktiven Rechtspolitik. Recht kann Innovation hemmen, es kann sie aber auch fördern. Die rechtlichen Herausforderungen, die sich im Bereich der Automatisierung stellen, knüpfen eng an die juristischen Fragestellungen um autonome Systeme und Robotik an, gehen jedoch zum Teil noch weit darüber hinaus. Es stellen sich erhebliche Fragen der Haftung für Schäden an Maschinen, Produkten, sonstigen Vermögenswerten und Menschen. So muss man fragen, wem in einem weitgehend anonymen, vernetzten System die Verantwortung zugewiesen werden kann? Wie wirkt sich die (Teil-)Autonomie einer Maschine auf die Verantwortlichkeit ihres Herstellers, Verkäufers oder Nutzers aus? Welches Recht gilt bei grenzüberschreitenden Sachverhalten? Zivilrechtlich sind vor allem das Delikts- und das Produkthaftungsrecht einschlägig, relevant ist aber auch das Strafrecht. Es darf nicht übersehen werden, dass Geschädigte im Schadensfall schon aus Gründen der Beweissicherung den Weg über das Strafrecht oft sogar vorziehen. Bei der zivilrechtlichen Haftung wird grundlegend zwischen solchen Haftungstatbeständen unterschieden, die der Schädiger verschuldet hat und die er deshalb vertreten muss, und solchen, die an der Fehlerhaftigkeit eines Produktes ansetzen. Bei der erstgenannten Haftungsform muss die Verantwortlichkeit für einen kausalen Schaden positiv bewiesen werden, um eine Ersatzpflicht auszulösen. Dagegen reicht im Rahmen der verschuldensunabhängigen Haftung das Vorhandensein eines objektiven Produktfehlers, d. h. ein Abweichen des schädigenden Produktes von der fehlerfreien Beschaffenheit dieses Produktes, um eine Haftung anzunehmen. Es besteht aber die Möglichkeit, diesen weitgehenden Haftungstatbestand zu beschränken und sich nachträglich zu exkulpieren. So kann der Hersteller nachweisen, dass sein Produkt dem aktuellen Stand der Technik entsprach und er seine sonstigen Pflichten bei Konstruktion, Produktion und Instruktion des Nutzers nicht vernachlässigt hat. Besondere Bedeutung besitzt in diesem Zusammenhang die angemessene Dokumentation aller relevanten Abläufe, insbesondere auch, um im Falle eines gerichtlichen Verfahrens Nachweise über die einzelnen Arbeitsschritte und Verwendungen in den Stadien von der Produktidee bis hin zum Lebensende des Produktes vorlegen zu können. Im Zusammenhang mit der (zivil- wie strafrechtlichen) Haftung stellt sich die Frage nach dem Verhältnis technischer Regeln zum juristischen Fahrlässigkeitsmaßstab. Angesichts des hohen Niveaus vieler technischer Regeln ist es sehr bedauerlich, dass beide Welten, die technisch-regulatorische und die juristische, bislang weitgehend unverbunden nebeneinander existieren. Hier gilt es, Konkurrenz in Synergie zu verwandeln. Datenschutz Um Haftungsfälle zu vermeiden, ist es fast zwingend, automatisierte Maschinen und Geräte mit zahlreichen Sensoren auszurüsten, welche in großem Umfang Umgebungsdaten aufnehmen, verarbeiten und geeignete Sicherungsreaktionen auslösen können. Wegen der Vielzahl der aufgenommenen Daten entstehen jedoch erhebliche datenschutzrechtliche Probleme. Dies gilt zunächst für den Schutz der Arbeitnehmerdaten (für die in der vernetzten Fabrik Tätigen), deren Arbeitsleben unter Umständen umfassend aufgezeichnet wird. Um dies zu legitimieren, sind besondere Vereinbarungen nötig. Außerdem treten erhebliche Probleme mit dem Umgang personenbezogener Daten Dritter auf, wenn diese, wie zu erwarten, ebenfalls aufgezeichnet werden. Es stellen sich zudem Probleme ähnlich denen, die heute schon beim Cloud Computing diskutiert werden: Daten dürfen nicht beliebig outgesourct werden, vielmehr unterliegt die Datenübertragung, auch wenn sie im Rahmen einer Auftragsdatenverarbeitung erfolgt, engen rechtlichen Beschränkungen bis hin zur strafrechtlichen Haftung. Problematisch ist schließlich auch der Umgang mit sensiblen Unternehmensdaten, die nicht nur innerhalb einer vernetzten Fabrik an einer Vielzahl von Orten zur Verfügung stehen, sondern auch bei Vertragspartnern bereitgestellt werden müssen. Eben durch diese weitreichende Verteilung von (sensiblen) Unternehmensdaten, sind geeignete Maßnahmen zur Absicherung der Kommunikation und zum Schutz der Dateninhalte zu treffen. Hier ist vor allem an technische Sicherungsmaßnahmen, wie Zugangskontrollen und der Einsatz einer starken Verschlüsselung, aber auch an entsprechende vertragliche Vereinbarungen (insbesondere mit Outsourcing-Partnern und Zulieferern) zu denken. Bestimmte sensible Daten werden darüber hinaus auch durch das Urheberrecht (intellectual property rights) geschützt, welches ebenfalls in den Blick genommen werden muss. Bei der technisch-organisatorischen Gestaltung von „Industrie 4.0“- Applikationen sollte also stets darauf geachtet werden, den rechtlichen „Schutzschirm“ nicht zu verlassen. Besonders bedeutsam werden die rechtlichen datenbezogenen Schutzregelungen, wenn es um die Abwehr und mögliche Aufklärung von Angriffen von außen (z. B. Betriebsspionage, Datensabotage o.Ä.) geht. Da das Recht hinsichtlich seiner Entstehung, seiner Anwendung und seiner Veränderung in engem Zusammenhang mit der Sozialmoral eines Landes steht, spielt auch die gesellschaftliche und politische Akzeptanz für die Entwicklungschancen von Technologien und innovativen technisch-organisatorischen Konzepten eine herausragende Rolle. Die deutsche Gesellschaft ist teilweise immer noch von Technikskepsis, die bisweilen bis zur Technikfeindschaft reicht, geprägt. Eine umfassende Auseinandersetzung mit den Rechtsfragen, die durch das Konzept der Industrie 4.0 und den entsprechenden Anwendungen der smarten Automatisierung aufgeworfen werden , darf deshalb die gesellschaftspolitische und auch ethische Dimension der Thematik nicht außer Acht lassen. Des Weiteren lassen sich diese Fragen in einer globalisierten Welt nicht mehr nur rein national betrachten. Hingegen bedarf es einer internationalen und kulturübergreifenden Perspektive zur Lösung der kommenden Herausforderungen. Die „Automatisierung“ wirft also eine Vielzahl von schwierigen Rechtsfragen auf. Es gilt, diese Fragen zu identifizieren, die entscheidenden juristischen Weichenstellungen herauszuarbeiten und zusammen vor allem mit Technikern und Ökonomen Lösungsmöglichkeiten anzubieten. Erforderlich ist also eine interdisziplinäre Herangehensweise. Die Entwicklung und der Betrieb von smarten Maschinen sollten so umgesetzt werden, dass rechtliche Regelungen von vornherein beachtet und Rechtsverstöße somit vermieden werden. Autor: Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf und Sven Hötitzsch, Forschungsstelle RobotRecht am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtstheorie, Informationsrecht und Rechtsinformatik der Universität Würzburg (robotrecht@jura.uni-wuerzburg.de). Externer Kontakt: NürnbergMesse, Tel. 0911 8606-8590, laura.schlicht@nuernbergmesse.de www.netlaws.de

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Bitkom-Empfehlungen zu rechtlichen Rahmenbedingungen von Industrie 4.0

2016-12-06T15:11:20+01:0006.12.2016|Kategorien: Branche|Tags: , , , |

Die durchgehende Vernetzung von Wertschöpfungsketten in der Industrie über Digitalisierungs-, Kommunikations- und Automatisierungstechniken wird in Deutschland unter dem Stichwort Industrie 4.0 diskutiert und vielfach auch bereits umgesetzt. Industrie 4.0 wirft viele, teilweise neuartige Rechtsfragen auf. Allerdings machen nicht alle dieser Rechtsfragen Aktivitäten des Gesetzgebers erforderlich. Rechtsetzungsbedarf sieht Bitkom derzeit nur in wenigen Rechtsbereichen, so im AGB-Recht,

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